Die Versuche aus dem letzten Blogbeitrag verliefen recht erfolgreich - es gibt nun einen Plan, wie das Vorgehen beim Firnisauftrag des durchlässigen Leinwandgemäldes aussehen könnte. Die Lösung heißt: Firnis spritzen! Durch die feine Vernebelung der Firnislösung trocknet ein Teil des Lösemittels bereits in der Luft, sozusagen auf dem Weg zur Gemäldeoberfläche. Dadurch kommt der Firnis schon etwas "trockener" an und hat dadurch weniger Möglichkeit, durch das Malschichtcraquelé hindurch auf die Rückseite der Leinwand zu ziehen und dort in Form von dunklen Flecken Schaden anzurichten. Dies haben unsere Vergleiche mit dem Pinselauftrag auf den Testkörpern deutlich gezeigt. Eine zusätzliche Maßnahme ist eine vorübergehende Imprägnierung der Rückseite mit einem flüchtigen Bindemittel, das von selbst sublimiert, d.h. die Oberfläche wieder verlässt, ohne dabei in den flüssigen Aggregatszustand überzugehen (direkt von fest zu gasförmig). Dies behalten wir aber vorerst nur als Ultima Ratio im Hinterkopf. In den Tests hat´s super funktioniert, aber auf dem Gemälde könnte man vielleicht darauf verzichten, da das originale Gefüge immer noch deutlich dichter ist, als unsere Dummys.
Bsp. Probekörper Nr. 2 (Fotomontage)
1: unbehandelte Rückseite, 2: mit dem flüchtigen Bindemittel eingesprühte Rückseite, 3: Rückseite nach Spritzen der Firnislösung auf die Vorderseite, 4: Rückseite nach Pinselauftrag der Firnislösung auf die Vorderseite.
Ganz so weit sind wir aber noch gar nicht! Der Firnisauftrag ist immer einer der letzten Arbeitsschritte bei der Restaurierung eines Gemäldes.
Momentan läuft der zweite Durchgang der Malschichtfestigung. Nach der ersten Festigung mit angedicktem (und dadurch weniger fließfähigem) Störleim, die zum Ziel hatte, hochstehende Craqueléränder niederzulegen und Lockerungen zu festigen, erfolgte eine flächige Oberflächenreinigung mit einem Mikroporenschwamm. Der kann sehr viel Flüssigkeit aufnehmen, gibt sie aber nur sehr dosiert auf der Oberfläche ab. Damit konnten verbliebene Reste des Festigungsmittels gründlich und gefahrlos für die Rückseite abgenommen werden.
Danach war die Malschicht ausreichend mechanisch belastbar für die Firnisabnahme. Auch hier beherrschte der Schutz der Rückseite das gesamte Vorgehen. Der sehr dicke und stark vergilbte alte Firnis war zum Glück leicht löslich, so dass die Abnahme in den meisten Bereichen recht unproblematisch war. Die Herausforderung bestand nun darin, nur so wenig Lösemittel mit dem Wattestäbchen aufzubringen, dass der Firnis noch gelöst, aber das gelöste Material nicht nach hinten durchgeschwemmt werden konnte. In kritischen Bereichen mit viel Craquelé wurde zudem mit einer Kompressentechnik gearbeitet. Die Kompressen nehmen alles Gelöste von der Oberfläche sofort in sich auf, allerdings war auf diese Art eine mehrmalige Behandlung nötig. Um die Vor- und Nachteile der beiden Methoden (Wattestäbchen und Kompressen) optimal nutzen zu können, entschieden wir uns für eine Kombilösung, die etwas Fingerspitzengefühl erforderte, aber im Endeffekt sehr gut funktioniert hat.
Jetzt, da der alte Firnis nicht mehr auf der Malschicht
liegt und diese dadurch nochmal ein bisschen flexibler geworden ist, folgt ein zweiter Festigungsdurchgang. Dieser hat zum Ziel, das Craquelé noch ein bisschen weiter zu schließen und somit beim späteren Firnisauftrag das Risiko einer Durchdringung der Leinwand noch weiter zu reduzieren.
Fassen wir mal die Maßnahmen zum Schutz der beschrifteten Rückseite zusammen:
Malschichtfestigung mit angedicktem Festigungsmittel, das nicht auf die Rückseite durchläuft
Oberflächenreinigung mit Mikroporenschwamm, der nur Feuchtigkeit und keine Flüssigkeit an die Oberfläche abgibt
Firnisabnahme mit ausgedrücktem Wattestäbchen in Kombination mit Kompressen, um das Lösemittel an der Oberfläche zu halten
zweiter Festigungsdurchgang nach der Firnisabnahme, um die Malschicht noch besser niederlegen und dadurch die Craquelérisse noch weiter verschmälern zu können
geplant: Firnisauftrag mit der Spritzpistole, um ein Durchziehen der Firnislösung auf die Leinwandrückseite zu verhindern
An diesem Projekt wird wieder einmal besonders deutlich, wie wichtig es ist, im Arbeitsablauf flexibel und aufmerksam zu bleiben, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren und niemals stur nach Schema F vorzugehen. Und: Es gibt für alles eine Lösung!
Das ist ein Ausschnitt aus der fraglichen Leinwandrückseite. Man kann gut erkennen, dass es bereits frühere Firnisaufträge gab, die nach der Entstehung des Malschichtcraquelés entstanden sind, so dass es bereits alte Firnisflecken auf der Rückseite gibt. Wir wollen jedoch nicht dafür verantwortlich sein, dass noch mehr Verfärbungen entstehen!
Im Durchlicht erkennt man sehr gut die weitmaschige Leinwand unter der Malschicht sowie deren Craquelérisse, durch die das Licht hindurchscheint.
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